(Selbstkritische) Gedanken zur Zucht
Letzten Sonntag habe ich seit längerem mal wieder Fotos von meinen beiden Pferden gemacht und mich sehr gefreut, dass meine selbst gezüchtete 4 1/2 Jährige sich endlich wieder entsprechend ihres eigentlichen Potentials präsentiert*. Beim Sichten der Fotos habe ich die letzten 5 Jahre Revue passieren lassen und mir ein paar Gedanken zu meinem „Zuchtexperiment“ gemacht. Auch weil ja doch immer mal wieder im Gespräch mit Stutenbesitzern der Satz „Irgendwie hätte ich ja schon gern ein Fohlen von meiner Stute“ fällt, möchte ich diese Gedanken mit Euch teilen.


Was, wenn die Erwartung nicht erfüllt wird?Warum sollte man sich eigentlich darüber unbedingt Gedanken machen, man hat mit seiner Stute sein Traumpferd gefunden und züchtet ja das Fohlen sowieso nur deshalb, weil man es behalten möchte. Und man wird es auf jeden Fall lieb haben, egal was dabei rauskommt.
Man kann natürlich Glück haben, so wie ich es hatte. Denn das Universum hat sich bis auf kleine verzeihliche Abweichungen doch sehr an meine Bestellung gehalten.
Diese Bestellung lautete übrigens ziemlich konkret: Stute, Erdfarbfarbwechsler, Viergänger ohne besonderes Gangpotential, eher klein und im alten Typ stehend sowie charakterlich der Mama ähnlich, nur nicht ganz so sensibel bzw. schreckhaft. Bis auf das mit dem Farbwechsler ist doch ziemlich genau das rausgekommen, was ich mir erhofft hatte. Die körperlichen Problemchen mal außen vor gelassen.
Ob man sich im Falle von einem selbst gezüchteten und aufgezogenen Fohlen trennt, das eigentlich mit 4 oder 5 Jahren dann nicht wirklich dem Pferd entspricht, das man sich kaufen würde, darin sehe ich eigentlich das größte Problem so eines Zuchtexperimentes. Ich muss zugeben, ich weiß bis heute nicht so genau, was ich getan hätte, wäre es ein kleiner Hengst gewesen oder wäre der Funken nicht übergesprungen.
Aber selbst wenn das Nachwuchspferd alle Erwartungen erfüllt, die Zukunft lässt sich leider (oder zum Glück) nicht vorhersehen. Und es gibt nun mal keine Garantie, dass das selbstgezüchtete Pferd dann auch wirklich sein/ihr ganzes Leben lang bei einem verbleiben kann. Wir reden hier von einem Lebewesen, dass im Normalfall doch 20 bis 30 Jahre alt wird.



Lilja im Later von 3 Tagen, 3 Monaten (Foto Alina Gerin) und 4 1/2 Jahren.*
Deshalb sollte man sich meiner Meinung nach, auch wenn man „nur für den Eigengebrauch“ züchten möchte, unbedingt ein paar Fragen stellen, bevor man die Stute decken lässt.
Ist die Stute wirklich zuchttauglich?
Das eigene Pferd ist doch immer das tollste, schönste, beste und selbstverständlich bringt es die optimalen Voraussetzungen mit und da man mit dem eigenen Wallach ja nicht züchten kann, sollte der eigentlich geklont werden. Nichtsdestotrotz sollte man sich vor einem Zuchtexperiment mal ganz objektiv ein paar Fragen hinsichtlich Zuchttauglichkeit und Vorbildfunktion stellen.
Als Zucht wird in der Biologie die kontrollierte Fortpflanzung mit dem Ziel der genetischen Umformung bezeichnet. Dabei sollen gewünschte Eigenschaften verstärkt und unerwünschte Eigenschaften durch entsprechende Zuchtauslese zum Verschwinden gebracht werden. (Quelle Wikipedia)
Auch wenn man mit den charakterlichen Eigenheiten der eigenen Stute über die Zeit gelernt hat umzugehen und sie ja trotzdem über alles liebt, sollte man sich doch fragen, ob man sich so ein Pferd noch mal kaufen würde. Bzw. lohnt sich meiner Meinung nach hier mal die Überlegung, welche Eigenheiten auf den Grundcharakter und welche auf Einflüsse von Aufzucht und Umfeld zurückzuführen sind. Abgesehen von der Genetik und Epigenetik hat die Mutterstute ganz einfach durch die Aufzucht des Fohlens einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Nachwuchs.



Nicht nur den ausdrucksvollen Kopf hat Lilja von ihrer Mutter geerbt.
Meist kommt der Gedanke an ein Fohlen aus der eigenen Stute ja eher zu einem Zeitpunkt, wo man anfängt, über ein Nachwuchspferd nachzudenken. Björk hatte ja bereits vor meiner Zeit 2 Fohlen, daher war es für mich kein wirkliches Problem, dass sie nicht mehr ganz die Jüngste war. Zum Zeitpunkt des Deckens war sie übrigens 18.
Worüber ich allerdings nicht wirklich nachgedacht hatte, war die Gefahr für Stute und Fohlen. Ja, man sollte sich durchaus bewusst sein, dass eine Trächtigkeit/Geburt sowohl für Mutter als auch für Fohlen ein gewisses Gefahrenpotential birgt und man im schlimmsten Fall dann ohne Stute und/oder Fohlen dasteht. Letzteres wäre mir beinahe passiert. (die ganze Geschichte gibt’s hier zu lesen)
Welchen Hengst soll man wählen?
Um nicht einfach nur zu vermehren, sondern zu züchten, sollte man sich also auch darüber Gedanken machen, dass mit dem gewählten Hengst eine Verbesserung oder zumindest ein Erhalt der Qualität erzielt werden sollte. Ich habe mich diesbezüglich mit erfahrenen Züchtern ausgetauscht und mich dabei nicht nur auf die Aussagen des Hengstbesitzers verlassen. Ein Hengst einer anderen Rasse wäre für mich nie in Frage gekommen, denn auch wenn manche Mischungen durchaus gelungen wirken können, hat das mit Zucht nichts zu tun und das Risiko, dass die jeweils negativen Eigenschaften sich summieren, ist bei solchen Kombinationen doch noch mal größer als bei einer Zucht innerhalb der Rasse. Und die Probleme können sich nicht nur im Exterieur sondern auch im Interieur und sogar auch im Stoffwechsel zeigen.
Ich hatte bei meinen Überlegungen zumindest soweit vorgesorgt, dass die Chancen gut stehen, dass mein selbstgezüchtetes Fohlen im Falle auch verkäuflich wäre und entsprechende Papiere bekommt, sodass auch einem Turnierstart zukünftig nichts im Weg steht.
(Anmerkung: Abstammungspapiere sind für Islandpferde für einen Turnierstart notwendig)
Trächtigkeit und Fohlenaufzucht
Was man gerne bei der Planung eines Zuchtexperiments vergisst, sich zu überlegen: Wie lange will ich auf meine Stute „verzichten“? Je nachdem, wie fohlentauglich der aktuelle Stall ist, kann sich dies als räumliche Trennung oder auch nur eingeschränkte Nutzung darstellen.
Auch wenn Trächtigkeit natürlich keine Krankheit ist, ist man doch in der Nutzung seiner Stute je nach Verlauf der Trächtigkeit früher oder später ziemlich eingeschränkt. Da zwickt schon mal der Bauch und die Motivation für ausgiebige Einheiten ist sehr eingeschränkt, oder wie auch bei menschlichen Schwangeren kann der Nachwuchs unangenehm auf die Blase drücken und dazu führen, dass das Pony ständig stehen bleibt und ohne Erfolg versucht zu pinkeln. Sprich, man sollte einfach Rücksicht nehmen. Ich habe meine Stute relativ früh selbst entscheiden lassen, ob sie was tun möchte oder nicht, hatte in der Zeit ein anderes Pferd im Stall zur Verfügung, mit dem ich dann alternativ etwas tun konnte.
Für mich war auch von Beginn an klar, dass Björk bereits vor der Geburt umzieht, weil ich dem Fohlen von Beginn an optimale Bedingungen und die Gesellschaft anderer Fohlen bieten wollte. Das hieß für mich eine räumliche Trennung von Stute und Fohlen von ca. 150 km. Aufgrund meiner damaligen Lebensumstände konnte ich sie 2x die Woche für mehrere Stunden besuchen, am Tag der Geburt kostete mich die Entfernung allerdings schon einige Nerven, da ich erst einige Stunden nach der Benachrichtigung über Geburt und die Probleme mit dem Fohlen bei meinen Pferden eintreffen konnte.



Björk auf der Deckweide, hochträchtig kurz vor dem Umzug zur Fohlenweide und mit der 2 Jahre alten Lilja
Die Entscheidung war für mich jedenfalls auch im Nachhinein gesehen absolut richtig, denn ich konnte bei meinen regelmäßigen Besuchen beobachten, wie wichtig die anderen Fohlen vor allem in den ersten Wochen für Lilja waren und dass auch schon in den ersten Lebenstagen mit dem ca. gleichaltrigen Fohlen ausgiebig gespielt wurde.
In meinem Fall und da es eben mit einem Stutfohlen auch problemlos funktioniert, durften Mutter und Tochter in etwa 3 Jahre gemeinsam verbringen, bevor sie für ein paar Monate getrennt waren und auch jetzt wieder in der gleichen Herde leben. Will man Mutter und Fohlen zumindest bis zum Absetzen eine Auszeit gönnen, dann muss man doch in Summe einige Monate einkalkulieren, in denen man dann sein Pferd nicht zur Verfügung hat. Manche fangen ja schon relativ früh wieder mit dem Training der Stute an, ich persönlich stehe da eher auf dem Standpunkt, dass Mutter sein für Stuten bei entsprechender Haltung ausreichend Beschäftigung ist.
Abgesehen davon sollte man sich schon auch bewusst sein, dass so eine Trächtigkeit an einer Stute nicht ganz spurlos vorübergeht und dass es dauert, bis sich alles wieder zurückgebildet hat. Es kann natürlich sein, dass sich vor allem mehrere Trächtigkeiten auch dauerhaft negativ auf die Konstitution der Stute auswirken können.



Vor allem in den ersten Wochen wird viel gespielt. Bei den Stutfohlen änderte sich das Verhalten bald zu Laufspielen.
Was die Haltung des Jungpferdes betrifft, sollte man übrigens nicht unterschätzen, wie sehr die Pferde, mit denen das Jungpferd gemeinsam aufwächst, einen Einfluss auf dessen „Bewegungsvorstellung“ haben. Lernen durch Nachahmung macht man sich ja auch in der Ausbildung gerne zu nutze, dies findet natürlich auch ohne menschliches Zutun statt. Schon allein deshalb sollte die Gesellschaft des Jungpferdes aus fitten, bewegungsfreudigen Pferden bestehen. Mir war auch wichtig, dass mein Pferd in jungen Jahren möglichst unterschiedliche Geländeverhältnisse kennenlernt, um ein besseres Körpergefühl zu erlernen. Deshalb und auch, weil ich auch für die Mutterstute eine entsprechende Haltung während meiner Abwesenheit gewährleisten wollte, habe ich eine möglichst naturnahe Haltungsform gewählt.

Stute und Jungpferd – die Zukunft mit 2 Pferden
Dieser Punkt hat eigentlich nicht direkt etwas mit dem Zuchtprojekt zu tun, sondern betrifft natürlich jeden, der sich zu einem bereits vorhandenen ein zweites (jüngeres) Pferd zulegt. Allerdings ergibt sich der Zeitpunkt, mit dem man damit dann konkret konfrontiert ist, aus dem Zeitpunkt des „Projektstarts“. In meinem Fall ist das sicherlich der Punkt, der für mich am wenigsten kalkulierbar war und der mich jetzt aktuell so richtig betrifft. Denn nun habe ich 2 Pferde und muss damit bis zum Lebensende meiner alten Stute auch für die Kosten für 2 Pferde aufkommen. Vor allem bei einem alten Pferd wird das auf die Dauer gesehen eher mehr als weniger werden. Auch die Versorgung eines alten Pferdes wird auf Dauer gesehen meist aufwändiger als einfacher. Man sollte sich hier auch überlegen, welche Konsequenzen man dann ziehen wird, wenn es längerfristig doch nicht klappt, 2 Pferde zu erhalten. Sein bisheriges Traumpferd (das war doch der Grund, warum man unbedingt ein Fohlen von ihr wollte) abzugeben oder im Falle, die Stute ist schon deutlich älter und nicht mehr verkäuflich, gar die unangenehme Entscheidung einer Euthanasie zu treffen. Oder doch das Jungpferd verkaufen, das man vielleicht gerade auch noch selbst ausgebildet hat und mit dem man schon große Pläne schmiedet? Keine dieser Lösungen ist in meinen Augen wirklich eine wünschenswerte, schon deshalb sollte man sich das mit der Nachzucht gut überlegen.
Sollte man von Haus aus nur züchten wollen, um das Pferd dann zu verkaufen, dann sollte man sich im Klaren sein, dass man hier im Normalfall eher Geld drauf zahlt, als etwas damit zu verdienen. Somit wären wir auch schon bei einem nicht ganz unwesentlichen Punkt.
Der Kostenfaktor
Denn eins steht jedenfalls fest: Man sollte sich sein eigenes Nachwuchspferd keinesfalls deshalb selbst züchten, weil man Geld sparen möchte. Ich habe jetzt mal eine Kostenaufstellung gemacht, was mich mein Jungpferd bis zum Alter von 5 Jahren dann gekostet hat. Obwohl ich sicherlich was Unterbringung und Versorgung wie z.B. Hufbearbeitung angeht, sehr günstige Konditionen hatte, habe ich bis zum Alter von 5 Jahren ohne auch nur eine Trainereinheit in Ausbildung investiert zu haben, in etwa das ausgegeben, was man für ein angerittenes Pferd im etwa gleichen Alter oder sogar älter beim Züchter zahlen würde. Ein rohes Pferd gibt’s mit ähnlicher Abstammung und Farbe sicherlich deutlich billiger beim Züchter zu erstehen.
Anmerkung: Vielleicht sollte man sich bei Pferden, die zum Schleuderpreis angeboten werden, mal fragen, ob man nur vermeintlich billig kauft und dafür dann nach dem Kauf so einiges an Geld in fehlende Ausbildung oder in die Behebung körperlicher Probleme investieren muss. Andererseits sollte man auch bereit sein, auch für „nur ein Freizeitpferd“ vom Züchter einen fairen Preis zu zahlen, denn die Aufzuchtkosten für ein Fohlen von unspektakulärer Abstammung sind nun mal die gleichen.
Mein persönliches Fazit
Es war für mich jedenfalls eine sehr spannende Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Wie bereits eingangs erwähnt, passten für mich die Lebensumstände gut, ich kann derzeit davon ausgehen, dass es finanziell auch weiterhin mit 2 Pferden funktionieren wird. Ich bin allerdings froh, dass der ursprüngliche Plan, noch ein weiteres Fohlen aus Björk zu ziehen, was sich aufgrund meines Auslandsaufenthaltes grundsätzlich gut ergeben hätte, nicht aufgegangen ist. Dieses Fohlen hätte ich nicht selbst behalten können und auch wenn meine Stute eine „gefragte“ Farbe hat, ist der Markt an Islandpferden meiner Meinung nach mehr als gesättigt und es wäre für mich wohl eher in einem Verlustgeschäft geendet. Außerdem bin ich mir im Moment nicht 100% sicher, ob alle körperlichen Probleme meines Jungpferdes nur äußeren Einflüssen (siehe unten) geschuldet sind und ob eine weitere Trächtigkeit wirklich problemlos verlaufen würde.



Update 06.09.2018 – Ergänzung Link zur Geschichte von Lilja
* Man sagt ja, man solle sich Jungpferde mit 3 Tagen, 3 Monaten und 3 Jahren anschauen. Ich habe leider kein brauchbares, vergleichbares Foto von 2015 gefunden, daher eben zuletzt ein akutelles.