Der Speck muss weg

Aktualisiert am 30.05.2019: neue Fotos aus 2019 ergänzt


Übergewicht seine negativen gesundheitlichen Folgen, ist mittlerweile auch bei unseren Tieren ein großes Problem. Allerdings ist es manchmal schwierig zu erkennen, ob ein Pferd wirklich einfach nur dick ist, oder ob es einfach nur falsch bemuskelt oder verspannt ist. In solchen Fällen wäre es fatal, ein Pferd einfach nur auf Diät zu setzen. Dies ist übrigens auch bei einfach zu dicken Pferden problematisch, denn auch übergewichtige Pferde können mangelernährt sein, dass ist allerdings ein eigenes Thema….

Vorweg…

Lilja Vergleich

Wie bei all meinen Blogartikeln basieren die folgenden Ausführungen auf meinen persönlichen Erfahrungen und dem Versuch die Beobachtungen entsprechend in Zusammenhang zu bringen. Die Situation meiner Jungstute ist sicherlich keine für Jungpferde übliche, wenn eher für längere Zeit falsch trainierte Reitpferde mit Trageerschöpfung. 
Ich möchte dieses Beispiel aber auch deshalb hier aufzeigen, da es zeigt, dass nicht alle Probleme durch falsches Reiten bzw. Training oder durch falsche Fütterung und Haltung zustande kommen, sondern manche Pferde einfach wirklich von Anfang an mit Problemen zu kämpfen haben. Sei es durch Unfälle oder wie in diesem Fall durch genetische Veranlagung.

Ist mein Pferd wirklich zu dick?

Dass der Start ins Leben meiner Jungstute nicht ganz unproblematisch war und dass sich das Training mit ihr als nicht ganz einfach dargestellte, habe ich ja schon im Artikel Jungpferdearbeit mit Hindernissen beschrieben. Dazu kam dann noch, dass ich mich 2016 und 2017 phasenweise aus persönlichen Gründen dem Training nicht so widmen konnte, wie ich es eigentlich wollte und mich bei meiner Stute Björk über die Maßen mit dem Thema Hufbarbeitung und -pflege (siehe auch Erfahrungsbericht Strahlfäule) herumschlagen musste. 

So kam’s dass ich im Frühjahr mit einer 5 1/2 jährigen Stute zu tun hatte, die einerseits weit hinter dem normalen bzw. von mir ursprünglich geplanten Ausbildungsstand war und – von Anfang an nicht sonderlich zart gebaut – immer massiger geworden war. Natürlich machte ich mir erst mal darüber Gedanken, ob die Haltungsbedingungen doch nicht so optimal waren, wie ich mir das gedacht hatte. Da sie von Fohlen an nie etwas anderes gewöhnt war, wollte ich allerdings an der ad libitum Fütterung nichts ändern und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie übermäßig viel oder schnell fraß und Pausen machte sie auch reichlich. 

Dann fing ich an, mir Gedanken über die Muskulatur zu machen. Lilja hatte einen massiven Hals, wobei er mir nie wirklich fett vorkam, sondern einfach massiv fest. Es war ihr anfangs kaum möglich, den Hals seitlich zu biegen und sie reagierte auch sehr ungehalten bereits auf geringste Manipulationen im Genick. Es war 2017 schon mal besser gewesen, aber ein letzter Wachstumsschub und eingeschränktes Training aufgrund meiner persönlichen Situation brachten einen ziemlichen Rückschritt mit sich. So starteten wir im Frühjar 2018 wieder an einem ziemlichen Tiefpunkt. 
Durch meine Seminare bei Claudia Benedela und Maren Diehl hatte ich mich ja schon viel mit physiologischen Bewegungsmustern, Faszien, Biotensegrität und der Frage der Stellung des LSG beschäftigt. 2018 war das Thema nach einer Pause wieder etwas mehr präsent und vor allem ein Punkt war für mich dann ausschlaggebend. Ich hatte mich mit Maren über das Thema Hals und falsche Bewegungsmuster unterhalten, welches oft bei falsch trainierten Pferden (mit Trageerschöpfung) zu tragen kommt. Wenn das Bewegungsmuster nicht korrekt von hinten nach vorne verläuft, dann kann die Schulterpartie nicht die korrekte Aufnahme übernehmen und der Hals wird deutlich mächtiger als er sein sollte. 
Und so fing ich an, meine Jungstute, die all diese Probleme ohne jemals wirklich geritten worden zu sein (zu diesem Zeitpunkt war ich ca. 5-6 mal tatsächlich auf dem Pferderücken gesessen) zeigt, wie man sie normal bei trageerschöpften Pferden sieht, einerseits durch Energie- und Körperarbeit muskuläre und faszial zu lockern und unter diesen Gesichtspunkten zu trainieren. An der Fütterung änderte ich nur insofern etwas, als ich ihre Ration durch etwas mehr Eiweiß und Fettsäuren aufbesserte und sie ihre Rationen durch das regelmäßigere Training öfter erhielt. 
Im Training lag der Fokus auf der Verbesserung der Bewegungsmuster (viel Arbeit an der Longe und auch freie Bewegung) und in der Körperarbeit um ihre massiven Verspannungen zu lockern. Konditionstraining war natürlich auch dabei, spielte aber eine deutlich geringere Rolle. Mir ging es vor allem darum, das körperliche Wohlbefinden und das grundsätzliche Bewegungsgefühl zu verbessern.

Über Veränderungen und Zusammenhänge

Es liegt nun fast ein Jahr mit teils sehr intensiver Arbeit hinter uns, während dem ich versucht‚ habe, die Veränderungen entsprechend zu dokumentieren. Dabei sind mir abgesehen von der körperlichen Entwicklung auch einige andere spannende Zusammenhänge aufgefallen. 

Bereits nach kurzer Zeit – zugegebenermaßen sehr intensiver Arbeit, bei der wir beide oft unseren inneren Schweinehund überwinden mussten und Lilja zeitweise richtig Muskel- bzw. Faszienkater hatte zeigten sich deutliche körperliche Veränderungen. 
Ich arbeitete mich von vorne nach hinten und wieder zurück. Es war sehr spannend, denn die Zusammenhänge der einzelnen Muskelketten zeigten sich bei ihr wirklich sehr deutlich und durch ihre unmittelbare Reaktion aufgrund der muskulären Verspannungen wusste ich auch sehr genau, wo’s gerade zwickte. 

Es war deutlich zu sehen, wie sich die grundsätzliche Bewegungsmotivation veränderte. Wenn es gerade mal etwas mehr zwickte, dann war sie kaum zum Traben zu motiveren, war’s besser, dann war auch Galopp kein Problem. Es war für mich phasenweise schon sehr frustrierend, dass meine Jungstute deutlich weniger bewegungsfreudig war als ihre so viel ältere Mutter – auch wenn sie grundsätzlich ein viel ruhigeres Temperament hat, war das schon ein zu großer Unterschied als ihn mit Temperament erklären zu können. Besonders stark kam das zum Vorschein, wenn ich sie mal gemeinsam frei am Platz laufen lies. 

Je länger wir arbeiteten, desto mehr zeigten sich die vermuteten Zusammenhänge und der Halsumfang und auch die übermäßige Brustmuskulatur nahm im Laufe der Zeit deutlich ab. Die Veränderung ist vor alle von vorne gut zu sehen.

Abgesehen von den körperlichen Veränderungen fielen mir auch andere Dinge auf, die sich änderten, wobei mir bei manchen Dingen erst klar wurde, dass sie mit ihren körperlichen Problemen zusammenhingen, nachdem die Veränderung eintrat. 

Liegeverhalten

Lilja_liegend

Eine dieser Veränderungen war das im Nachhinein übermäßig viele (seitliche) Liegen. Lilja galt von Anfang an als besonders „gechillt“, weil sie schon als Fohlen sehr viel – vermeintlich entspannt – herumlag. Mittlerweile denke ich dass sie im Stehen einfach nicht wirklich entspannen konnte, weil sie die Hinterhand nicht gut entlasten konnte und weil durch die falsche Bemuskelung die Vorhand übermäßig viel Last zu tragen hatte. 
Mir fiel im Herbst letzten Jahres auf, dass sie plötzlich nicht mehr so dreckig war wie sonst üblich und dass ich sie öfter als früher auch mit dem Rest einfach im Stehen dösend und die Hinterhand entlastend vorfand. 

Hufqualität

Nicht nur die Tatsache, dass durch die verbesserte Balance – das Stehen auf 3 Beinen war für sie wirklich eine große Herausforderung, die uns beiden sehr viel Nerven kostete, mir eine bessere Bearbeitung vor allem der Vorderhufe möglich war, sondern wohl auch durch die ganz allgemein geringere Belastung der Vorhand wurden die Vorderhufe trotz gleichbleibender Bearbeitung viel kompakter und auch Probleme wie Steine in der weißen Linie oder Strahlprobleme nahmen und nehmen laufend ab. Bei einem der Hinterhufe war das Thema Strahlfäule lange ein Thema und auch eine Schiefe im Huf. Mittlerweile ist der Huf schön gleichmäßig und der Strahl endlich gesund.

Abwehrverhalten

Völlig logisch ist natürlich, dass sich durch die Verbesserung des Wohlbefindens Abwehrreaktion beim Putzen, bei der Arbeit oder beim Hufe heben deutlich verringer haben bzw. bereits ganz verschwunden ist. An Stellen, wo sie noch vor einiger Zeit mit Schnappen oder Androhen durch ein Hinterbein reagierte, genießt sie heute sowohl Energiearbeit als auch Kraulen. Dieses Video hatte ich schon vor längerer Zeit auf Facebook gepostet, ich möchte es hier auch noch mal zeigen, da es den Unterschied zwischen Abwehrverhalten und Genuss so deutlich zeigt. Es wurde am selben Tag zu Beginn und am Ende einer Arbeitseinheit gezeigt, wo ich einige Verspannungen gut lösen konnte. 

Fressverhalten

Lilja an der Raufe

Auch wenn ich nie den Eindruck hatte, dass Lilja übermäßig viel an der Futterraufe war bzw. sehr hastig fraß, habe ich doch das Gefühl, dass sie mittlerweile noch mehr Pausen macht und noch langsamer und genüsslicher frisst (einen Gewöhnungseffekt schließe ich bei ihr aus, da sie von Fohlen an nie im Futter eingeschränkt war und sich auch von anderen Pferden an der Futterraufe nie aus der Ruhe bringen ließ). Vor allem beim Zusatzfutter merke ich einen großen Unterschied. Hatte sie ihre Schüssel früher immer extrem hastig gefressen und nie bis zum Ende. Irgendwann kam der Punkt, wo sie anfing mit den Hufen hinein zu schlagen und die Schüssel auszuleeren. Ich habe die Vermutung, dass ihr die Fresshaltung durch den enormen Zug längere Zeit unangenehm war (sie konnte als Fohlen den Kopf anfangs nicht bis unter die Zitzen senken – siehe den bereits weiter oben erwähnten Blogartikel). 
Ich vermute, dass sie auch deshalb heute beim Grasen deutlich mehr Ruhe hat, weil sie die Haltung länger durchält, ohne dass es unangenehm wird. 

Unruhe

Natürlich ist ruhig stehen für jedes Jungpferde erst mal eine Herausforderung, ich konnte allerdings hier ohne dass ich dies zu diesem Zeitpunkt explizit geübt hätte, eine deutliche Veränderung bemerken. Und zwar stand sie plötzlich sowohl am Putzplatz als auch am Reitplatz bei der Energie- und Körperarbeit plötzlich deutlich ruhiger und länger unverändert. Auch heute noch merke ich, dass sie, wenn ich bei der Arbeit an die noch vorhandenen Blockaden und Verspannungen komme, zappelig wird und herumwandert, während sie ansonsten lange Zeit völlig entspannt und ruhig frei steht ohne dass ich sie halten müsste. Ich erwähne diesen Punkt auch deshalb, weil ich diese Beobachtung auch bei anderen Pferden gemacht habe, die plötzlich mit deutlich weniger Gezappel oder Gescharre stehen können, wenn sich die körperliche Gesamtsituation verbessert.

Vergleichsbilder

Dieser Bereich wird laufend aktualisiert, letztes Update Mai 2019
Interessant sind dabei vor allem die Vergleichsfotos, zwischen denen in etwa jeweils 1 Jahr liegt. Durch die unterschiedlichen Gegebenheiten schwankt der Trainingszustand natürlich generell übers Jahr etwas.

Weiterführende Links

Meine Gedanken zur Beurteilung des Fütterungszustandes anhand von Fotos habe ich nun in einen eigenen Artikel verpackt um die Unterschiede etwas besser verdeutlichen zu können. Denn es ist auch „Eine Frage der Perspektive„.


Natürlich gibt es Pferde, die tatsächlich einfach zu fett sind, wo man sowohl Fütterung, Haltung als auch Training überdenken sollte. Dazu hat sich Karolina von 360° Pferd einige Gedanken gemacht. 


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